Mein Kind ritzt sich – was kann ich tun?

Mein Kind ritzt sich – was kann ich tun?

4 Minuten Lesezeit7. Juli 2012
Dein Kind hat sich selbst verletzt, und du fühlst dich hilflos? Ritzen ist oft ein Ausdruck von emotionalem Schmerz – kein bloßes Aufmerksamkeitsverhalten. Wichtig ist, jetzt ruhig zu bleiben, dein Kind ernst zu nehmen und gemeinsam nach Wegen zu suchen, um mit den zugrunde liegenden Gefühlen umzugehen. In diesem Artikel erkläre ich, warum Jugendliche ritzen, welche ersten Schritte hilfreich sind und welche Alternativen es gibt.

Du hast gerade entdeckt, dass dein Kind sich selbst verletzt – und jetzt? Schock, Hilflosigkeit, vielleicht sogar Wut oder Schuldgefühle sind normale Reaktionen. Doch was braucht dein Kind jetzt wirklich? Erst einmal: Ruhe und Verständnis. Selbstverletzung ist selten eine reine Provokation. Meist steckt dahinter eine tiefe emotionale Belastung. Ich erkläre, warum Jugendliche ritzen, was es für dich als Elternteil bedeutet – und welche Schritte wirklich helfen.

Warum ritzt mein Kind?

Selbstverletzendes Verhalten dient oft der Regulation von Gefühlen. Jugendliche fühlen sich überfordert von Ängsten, Wut oder innerer Leere – und finden keine andere Möglichkeit, diesem Druck zu entkommen.

Viele berichten, dass das Schneiden für einen kurzen Moment Erleichterung bringt. Ein 14-jähriges Mädchen sagte mir einmal:

„Am Tag staut sich alles in mir auf. Wenn ich mich abends ritze, fließt mit dem Blut der Druck heraus. Dann fühle ich mich ruhiger.“

Manche Jugendliche verletzen sich aus Schuldgefühlen, andere aus Wut, die sie nicht ausdrücken können. Es gibt viele Gründe – doch in fast allen Fällen ist das Ritzen ein Zeichen dafür, dass ihnen eine andere Methode fehlt, mit Stress oder Schmerz umzugehen.

Erste Reaktion: Was tun – und was vermeiden?

1. Keine Panik, kein VorwurfSo schwer es fällt: Ruhig bleiben. Das Kind braucht nicht noch mehr Stress – sondern Sicherheit. Drohungen oder Schuldzuweisungen („Wie kannst du mir das antun?“) machen alles schlimmer.

2. Erkennen, dass es um Leidensdruck gehtDein Kind ritzt nicht aus „Spaß“, sondern weil es keinen besseren Ausweg sieht. Anerkennen, dass dieser Schmerz existiert, ist wichtiger als das unmittelbare Stoppen des Verhaltens.

3. Einfühlsames Gespräch suchenNicht mit Kontrolle oder Druck, sondern mit offenen Fragen: „Kannst du mir erzählen, was dich so belastet?“ Auch wenn das Kind nicht sofort reden will, bleibt die Botschaft: „Ich bin da, wenn du bereit bist.“

Alternative Lösungswege: Neue Strategien finden

Nicht jedes Kind möchte gleich mit einem Psychologen sprechen. Es gibt andere Wege, mit dem inneren Druck umzugehen.

  • Kreative Ausdrucksformen – Malen, Schreiben oder Musik helfen, Gefühle sichtbar zu machen.
  • Bewegung & Natur – Viele Jugendliche tun sich mit Gesprächen leichter, wenn sie dabei spazieren gehen oder sich bewegen.
  • Vertrauensperson außerhalb der Familie – Wenn das Kind mit den Eltern nicht sprechen mag, kann eine andere Vertrauensperson helfen.

Eine meiner Klientinnen hat für sich entdeckt, dass es ihr hilft, sich direkt vor dem Ritzen bewusst zu fragen:

  • Was fühle ich gerade?
  • Warum fühle ich mich so?
  • Wie war es beim letzten Mal? Hat das Ritzen mir wirklich langfristig geholfen?
  • Gibt es eine andere Möglichkeit, damit umzugehen?

Diese bewusste Selbstbefragung hat ihr dabei geholfen, andere Strategien auszuprobieren und den Zwang zum Ritzen schrittweise zu verringern.

Falls du dich unsicher fühlst, wie du dein Kind am besten unterstützen kannst: Ich begleite Eltern und Jugendliche mit einem flexiblen psychologischen Ansatz – online, in der Natur oder durch kreatives Reflektieren.

Wann braucht es professionelle Unterstützung?

Wenn das Ritzen regelmäßig auftritt oder tiefer wird, ist professionelle Hilfe wichtig. Besonders wenn dein Kind über Suizidgedanken spricht oder das Verhalten mit starken Ängsten oder Depressionen einhergeht.

Ein erfahrener Psychologe kann helfen, nicht nur das Ritzen, sondern auch die zugrunde liegenden Probleme anzugehen – sei es Stress in der Familie, geringe Selbstachtung oder erlebtes Mobbing. Je früher Unterstützung beginnt, desto besser sind die Chancen, dass dein Kind neue Wege findet.

Fazit: Gemeinsam Wege aus der Krise finden

Selbstverletzung ist ein Zeichen für inneren Schmerz – nicht für Aufmerksamkeitsdrang. Dein Kind braucht keine Bestrafung, sondern eine Perspektive. Gespräche, alternative Strategien und professionelle Beratung können dabei helfen. Falls du individuelle Unterstützung suchst, stehe ich dir zur Seite.

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