Es ist einer der Sätze, die Eltern das Herz zerreißen:
„Ich hasse mein Leben."
Vielleicht sitzt das eigene Kind auf dem Bett, die Schultern hängen, die Augen voller Tränen. Vielleicht fällt der Satz zwischen Tür und Angel, im Streit oder in einem Moment der tiefen Erschöpfung. Und als Eltern? Da sind da plötzlich Angst, Hilflosigkeit und die Frage: Was, wenn das wirklich so ist? Was, wenn ich nicht helfen kann?
Wenn Jugendliche so etwas sagen, ist das oft mehr als eine impulsive Äußerung. Es zeigt tiefe Verzweiflung, das Gefühl, nicht gesehen zu werden, oder den Eindruck, dass das Leben nichts Gutes mehr bereithält. Doch was steckt dahinter – und wie können wir als Eltern oder Bezugspersonen helfen?
Warum fühlen sich Jugendliche so?
Die Jugendzeit ist – das haben wahrscheinlich die meisten von uns schon am eigenen Leib erfahren – keine einfache Zeit. Das Gehirn entwickelt sich noch, Emotionen fahren Achterbahn, und ständig gibt es neue Herausforderungen: Schule, Freundschaften, die ersten romantischen Beziehungen, der Druck, sich für eine Zukunft zu entscheiden. Hinzu kommt, dass viele Jugendliche das Gefühl haben, dass die Welt gerade besonders schwierig ist – und das ist sie in gewisser Weise auch.
Wenn Jugendliche sagen „Ich hasse mein Leben", stecken oft diese Gefühle dahinter:
- Überforderung: Alles scheint zu viel, zu schnell, zu kompliziert.
- Einsamkeit: Niemand versteht sie, niemand sieht sie wirklich.
- Perspektivlosigkeit: Die Zukunft wirkt bedrohlich oder hoffnungslos.
- Kontrollverlust: Das Gefühl, dass nichts mehr zu beeinflussen ist.
- Scham: Über Fehler, über das Gefühl, nicht zu genügen, über das eigene Aussehen oder Verhalten.
Diese Gefühle sind real und berechtigt – auch wenn sie sich für Erwachsene manchmal übertrieben anfühlen können.
Was kann ich als Elternteil tun?
1. Zuhören – ohne sofort zu bewerten oder zu beraten
Der erste Instinkt ist oft, das Problem zu lösen oder die Gedanken „zurechtzurücken": „Ach komm, so schlimm ist es doch gar nicht!" oder „Du hast doch ein tolles Leben!" Doch genau das kann dazu führen, dass sich Jugendliche noch unverstanden fühlen.
Besser: „Das hört sich wirklich schwer an. Magst du mir erzählen, was dich so belastet?"
2. Ernst nehmen – auch wenn es dramatisch klingt
Ja, Jugendliche können dramatisch sein. Aber das bedeutet nicht, dass ihre Gefühle nicht echt sind. Wenn ein Kind sagt, es hasse sein Leben, ist das ein wichtiges Signal.
Besser: „Ich merke, dass es dir gerade richtig schlecht geht. Das tut mir leid."
3. Nach Suizidgedanken fragen – direkt und ruhig
Viele Eltern haben Angst, nach Suizidgedanken zu fragen, weil sie befürchten, diese dadurch erst hervorzurufen. Das ist ein Mythos. Die Frage kann im Gegenteil eine Erleichterung sein.
Du kannst fragen: „Denkst du manchmal daran, dir etwas anzutun?" oder „Hast du schon mal daran gedacht, dass es einfacher wäre, wenn du nicht mehr da wärst?"
Falls die Antwort „Ja" lautet, ist das kein Grund zur Panik, aber ein Grund, sofort professionelle Hilfe zu holen.
4. Geduldig bleiben – auch wenn es Zeit braucht
Veränderung passiert nicht von heute auf morgen. Es kann Wochen oder Monate dauern, bis sich die Stimmung bessert. Das bedeutet nicht, dass nichts hilft – es bedeutet nur, dass es Zeit braucht.
5. Professionelle Hilfe suchen
Manchmal reicht die elterliche Unterstützung nicht aus. Und das ist völlig in Ordnung. Ein Psychologe oder Therapeut kann oft auf eine Weise helfen, wie es Eltern nicht können – allein schon deshalb, weil er oder sie eine neutrale Person ist.
Wichtige Warnsignale, bei denen sofort Hilfe geholt werden sollte:
- Konkrete Suizidpläne („Ich werde mich morgen von der Brücke stürzen")
- Verschenken von wichtigen Gegenständen
- Plötzliche „Besserung" nach einer sehr schweren Phase (kann bedeuten, dass der Plan gefasst wurde)
- Selbstverletzung
- Kompletter sozialer Rückzug über Wochen
Was Jugendliche wirklich brauchen
Auch wenn es manchmal nicht so aussieht: Jugendliche brauchen ihre Eltern. Sie brauchen sie als sicheren Hafen, auch wenn sie sich gegen sie auflehnen. Sie brauchen jemanden, der da ist, auch wenn sie scheinbar wegdrücken.
Was ihnen oft hilft:
- Verlässlichkeit: Zu wissen, dass die Eltern da sind, auch wenn gerade alles schwierig ist.
- Geduld: Raum für ihre Emotionen, ohne sofort beurteilt oder „repariert" zu werden.
- Interesse: Echtes Interesse an ihrer Welt, ihren Freunden, ihren Sorgen.
- Vertrauen: In ihre Fähigkeit, mit Problemen umzugehen (mit Unterstützung).
Die Verbindung nicht abreißen lassen
Vielleicht ist das der wichtigste Punkt: Die Verbindung nicht abreißen lassen. Auch wenn dein Kind dich anbrüllt, sich zurückzieht oder sagt, es hasse sein Leben – es braucht dich. Es braucht deine Liebe, deine Geduld und dein Vertrauen darin, dass es durch diese schwere Zeit kommen wird.
Es ist nicht deine Aufgabe, alle Probleme zu lösen. Es ist deine Aufgabe, da zu sein.
Wenn du dir Sorgen um dein Kind machst oder selbst Unterstützung brauchst: Hol dir Hilfe. Bei mir, bei anderen Therapeuten oder bei Beratungsstellen. Du musst das nicht allein schaffen.
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