Elternsein und Selbstverwirklichung: Warum dein Wachstum auch dein Kind stärkt

Elternsein und Selbstverwirklichung: Warum dein Wachstum auch dein Kind stärkt

5 Minuten Lesezeit12. März 2025
Viele Eltern haben das Gefühl, zwischen den eigenen Bedürfnissen und denen ihrer Kinder wählen zu müssen. Dabei zeigt die Praxis: Wer sich selbst entwickelt und auf seine Bedürfnisse achtet, gibt seinen Kindern ein wertvolles Vorbild. Erfahre, wie persönliches Wachstum und bewusste Elternschaft zusammengehören.

„Ich habe keine Zeit für mich" – das höre ich oft von Eltern in der Beratung. Dahinter steckt meist die Überzeugung, dass gute Eltern ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen müssen. Doch ist das so?

In meiner Arbeit beobachte ich das Gegenteil: Eltern, die gut für sich sorgen, haben oft entspanntere Kinder. Eine Kollegin hat mir vor ein paar Jahren einen Satz gesagt, der mich seitdem begleitet: "Wenn du willst, dass dein Kind glücklich ist, musst du es vorleben. Modell zu sein ist die einzige wirklich wirksame Methode, um das zu erreichen."

Wenn wir gestresst und erschöpft sind, spüren sie das. Wenn wir ausgeglichen und bei uns sind, wirkt sich das positiv auf die ganze Familie aus.

Warum Selbstfürsorge kein Egoismus ist

Eine Mutter erzählte mir kürzlich: „Wenn ich mir abends eine Stunde für mich nehme, fühle ich mich schuldig. Mein Sohn könnte ja noch Hilfe bei den Hausaufgaben brauchen."

Dieses schlechte Gewissen kenne ich aus vielen Gesprächen. Aber hier liegt ein Denkfehler vor: Selbstfürsorge bedeutet nicht, die Kinder zu vernachlässigen. Sie bedeutet, ein Gleichgewicht zu finden, das für alle funktioniert.

Kinder lernen durch Beobachtung. Wenn sie sehen, dass du dir regelmäßig kleine Auszeiten gönnst, lernen sie: Es ist normal und wichtig, auf sich selbst zu achten. Das ist eine der wertvollsten Lektionen, die wir ihnen mitgeben können.

Was Eltern wirklich stärkt

In der Beratung frage ich oft: „Was hat dir früher Energie gegeben?" Die Antworten sind unterschiedlich: Sport, Musik, Zeit in der Natur, Lesen, Kreativität oder einfach Gespräche mit Freunden.

„Das geht jetzt nicht mehr", ist oft die erste Reaktion. Doch stimmt das? Manchmal braucht es nur kleine Anpassungen. Eine Mutter hat für sich entdeckt, dass 20 Minuten Yoga am Morgen ihren ganzen Tag verändern. Ein Vater geht jeden Abend eine Runde spazieren, nachdem die Kinder im Bett sind.

Es geht nicht um große Veränderungen, sondern um bewusste, kleine Schritte zurück zu dem, was einem gut tut.

Kinder in die eigene Entwicklung einbeziehen

Selbstentwicklung muss nicht bedeuten, Zeit abseits der Familie zu verbringen. Oft ist das Gegenteil der Fall: Kinder sind neugierig auf das, was ihre Eltern interessiert.

Ein persönliches Beispiel: Im Winter habe ich Yoga und Meditation für mich entdeckt. Mein zehnjähriger Sohn wurde neugierig - nicht wegen der Übungen, sondern weil er merkte, wie entspannt ich danach war. Heute machen wir manchmal gemeinsam ein paar Minuten. Ohne Druck, ohne "richtig oder falsch". Er hat dabei gelernt: Es ist normal, sich um sein Wohlbefinden zu kümmern.

Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Vater hatte früher gerne Musik gemacht, aber seit der Geburt seines Sohnes die Gitarre nicht mehr angefasst. Als er wieder anfing zu spielen, zunächst nur für sich, wurde sein fünfjähriger Sohn neugierig. Heute musizieren sie regelmäßig zusammen.

Der Schlüssel ist: Nicht alles muss kinderfreundlich sein. Es ist völlig in Ordnung, auch mal etwas zu tun, was den Eltern wichtig ist, und die Kinder daran teilhaben zu lassen.

Wenn Eltern ein Vorbild sind

„Meine Tochter soll später mal selbstbewusst sein und auf ihre Bedürfnisse achten", sagte eine Klientin zu mir. Auf die Frage, ob sie das selbst vorlebe, wurde sie nachdenklich.

Du wünschst dir für deine Kinder, dass sie gesunde Grenzen setzen, dass sie wissen, was ihnen gut tut, und dass sie sich nicht immer für andere aufopfern. Aber lebst du ihnen das vor?

Wenn du möchtest, dass deine Kinder später gut für sich sorgen, darfst du es ihnen zeigen. Das bedeutet nicht, dass du perfekt sein musst. Es bedeutet, dass du ehrlich und bewusst mit deinen eigenen Bedürfnissen umgehst.

Praktische Schritte für den Alltag

Oft höre ich: „Das klingt gut, aber wie soll das praktisch gehen?" Hier ein paar Beispiele aus der Beratung:

Kleine Rituale schaffen: Eine Tasse Tee in Ruhe trinken, bevor der Tag beginnt. Fünf Minuten bewusst atmen, wenn der Stress steigt. Abends das Handy weggelegen und ein paar Seiten lesen.

Interessen wieder aufgreifen: Was hat dir früher Freude bereitet? Malen, Kochen, Gartenarbeit? Oft reichen schon kleine Schritte, um wieder Kontakt zu dem aufzunehmen, was einem wichtig ist.

Unterstützung suchen: Es ist völlig in Ordnung, Hilfe anzunehmen. Ob von Familie, Freunden oder professionell – niemand muss alles alleine schaffen.

Mein Kind kommt nicht mit

Manchmal passiert es, dass Kinder nicht verstehen, warum Eltern plötzlich Zeit für sich brauchen. „Früher warst du immer da", ist ein häufiger Vorwurf.

Hier hilft Ehrlichkeit: „Mir geht es besser, wenn ich auch Zeit für mich habe. Und wenn es mir gut geht, kann ich auch eine bessere Mutter/ein besserer Vater sein."

Kinder brauchen eine Weile, um sich an Veränderungen zu gewöhnen. Das ist normal. Wichtig ist, dass du bei deiner Entscheidung bleibst und gleichzeitig zeigst, dass sie dir wichtig sind.

Fazit

Sich als Eltern selbst zu entwickeln, ist keine Konkurrenz zur Elternschaft. Es ist ihre Grundlage. Wenn du gut für dich sorgst, schaffst du eine Atmosphäre, in der auch deine Kinder gedeihen können.

Es geht nicht um Perfektion, sondern um Bewusstsein. Die Frage ist nicht, ob du perfekte Eltern bist, sondern ob du das Leben lebst, das du dir für deine Kinder wünschst.

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